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Dog-Whistles

von c_ristina

Alles nicht so gemeint: Über die Dekodierung von Hundepfeifen-Politik

Begleitet mich auf eine Erkundungstour im politischen Diskurs, auf der wir Hundepfeifen, Wiesel, Strohmänner und Seelöwen begegnen werden.

Was ist eigentlich los?

Im politischen Diskurs werden immer häufiger rethorische Methoden angewendet um brisante, hetzerische und diskriminierende Positionen salonfähig zu machen. Sie werden in vermeintlich harmlosen Wörtern verpackt und durch deren Verwendung nur so der jeweils bestimmten Klientel signalisiert. Der Rest, also alle nicht Eingeweihten, bleibt im Unklaren und trägt die Nachricht im schlimmsten Fall sogar noch weiter. So verbreitet sich Hass und Hetze über alle Bereiche, egal ob akademische Fachbereiche, gesellschaftliche Institutionen oder in Freundeskreisen, unkontrolliert weiter.

Unter diesen Methoden gibt es die sogenannten dog-whistle politics, die in Deutsch auch als Hundepfeifen-Politik bekannt ist. Auf die möchte ich in diesem Artikel genauer eingehen.

Ian Haney erklärt die Idee in seiner Vorlesung An Explanation of Dog Whistle Politics | How to Defeat Dog Whistle Politics [1] folgendermaßen:

But for most people race is biology and descent. And as long as you avoid the language of biology and descent, or as long as you avoid racial slurs, you haven’t talked about race.

In anderen Worten: Solange nicht die exakten Begriffe wie z.B. „Rasse“ explizit genutzt werden, wurde nicht über „Rasse“ gesprochen.

Definition

Es gibt diverse Ansätze auf Wikipedia [2 und 3] diese Methode zu definieren. Für diesen Artikel nutzen wir folgende Definition:

Für ein bestimmtes Publikum codierte Sprache, zur Wiedererkennung bei allgemein unverfänglicher Bedeutung. Es ist eine Analogie zu den Hundepfeifen. Diese geben einen Ton in einer bevorzugt nur für Hunde wahrnehmbaren Frequenz wieder.

Die Verwendung steigt stark seit Mitte der 1990er.

Wer macht denn sowas?

Die Technik wird unter Anderen von Gruppen verwendet, die:

  • rassistisches
  • antisemitisches
  • antiziganistisches
  • fundamentalistisch/Evangelikales
  • rechtsextremistisches
  • fremdenfeindliches
  • gegenüber Homosexualität feindliches
  • transfeindliches
  • misogynes
  • etc.

Gedankengut pflegen.

Bei der Liste gibt es keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn eine Gruppierung ihre Ideologie auf Hass und Hetze gründet, wird sie mit Sicherheit diese Methode kennen und anwenden.

Warum kein Klartext?

Die Chiffre soll möglichst harmlos wirken, um so den Tabubruch zu umgehen. Offene Diskriminierung und Hetze tritt zwar auch mittlerweile immer öfter auf, aber den Anfang machen Reden und Ansprachen mit den oben genannten Methoden. So können radikale und hetzerische Positionen im politischen Diskurs abstreitbar bleiben. Sie dienen zur Übermittlung der Nachrichten und als Ansagen an Gleichgesinnte, während Zensur und Call-out umgangen oder sogar vermieden werden kann. Öffentliche Diskriminierung und Hass bleibt ohne direkte Konsequenz.

Wenn es doch jemandem auffällt: Der übliche Weg der Täter*innen ist dann der Angriff. Es wird direkt „Cancel Culture“ geschrien, die Betroffenen diffamiert „Du spielst nur die [hier marginalisiert Gruppe]-Karte, dabei hab ich [„Rasse“, Religion, Herkunft, Kultur] gar nicht erwähnt. Wer diskriminiert hier also?“. Oft wird dies auch durch Tone-Policing begleitet, um von der eigentlichen Kritik auf die vermeintlich unangebrachte Reaktion abzulenken. [4]

Kurzum: Täter-Opfer-Umkehr.

Wie sieht der Plan aus?

Nun, du bist hier gerade bei den Haecksen und da sieht der Plan wie oft so aus: Hacken! Wir müssen lernen diese Nachrichten zu dekodieren und diesen Code zu lesen. Je mehr sich damit beschäftigen und je bekannter die Problematik wird, desto leichter fällt der Umgang damit. Denn Zensur wird hier nicht viel helfen; unabhängig davon, dass wir allgemein nicht viel davon halten.
Das will geübt werden. Am Beispiel von „Globalismus“ zeigt sich, dass sich dieses Üben sehr wohl lohnt. Als Luisa Neubauer im Mai 2021 [5] auf die Rethorik von Hans-Georg Maaßen aufmerksam gemacht hat, dass er Begriffe wie „Finanzeliten“, „Drahtzieher“, „Ostküste“ oder „Neue Weltordnung“ verwendet, wurde intensiv diskutiert und berichtet. Das Problem geriet, zumindest temporär, in den Fokus. Es wurde analysiert und recherchiert, der Kontext wurde untersucht und es wurden Schlüsse gezogen.

Kontext ist Queen

Dabei müssen die Wörter natürlich auch im jeweiligen Kontext interpretiert werden.[6] Allerdings sind einige Wörter oder Wortbildungen immer mehr in einem bestimmten Kontext wiederzufinden und sind außerhalb dessen wenig sinnvoll.

Als letztes stellt sich mir noch die Frage: Warum gibt es so wenig Aufklärung im deutschsprachigen Raum? Die neuen Rechten und der radikalisierte Konservatismus sind die Großmeister dieser Methoden, dennoch findet sich sehr wenig in der Literatur oder anderen Medien. Das müssen wir ändern.

Quellen

[1] An Explanation of Dog Whistle Politics | How to Defeat Dog Whistle Politics, min 2:30-2:43
https://www.youtube.com/watch?v=SDRlhADEoUQ
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Hundepfeifen-Politik
[3] https://en.wikipedia.org
[4] https://www.youtube.com/watch?v=qibFwUNDZX4 , Dog Whistle Politics: How Coded
[5] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/maassen-neubauer-und-die-globalisten/
[/wiki/Dog_whistle_(politics)
Racial Appeals Have Reinvented Racism and Wrecked the Middle Class ISBN 978-0190229252
[6] https://www.br.de/kultur/antisemitismus-dog-whistle-hans-georg-maassen-100.html

Weitere Infos

DE

https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/medien-und-macht-hundepfeifen-in-der-politik
https://neusprech.org/
https://www.zeit.de/kultur/2018-07/rhetorik-sprache-alexander-dobrindt-worterfindungen-woerterbuch
https://glossar.neuemedienmacher.de

EN

https://politicaldictionary.com/words/dog-whistle-politics/
https://www.merriam-webster.com/words-at-play/dog-whistle-political-meaning
https://www.vox.com/the-big-idea/2016/11/7/13549154/dog-whistles-campaign-racism
https://billmoyers.com/episode/ian-haney-lopez-on-the-dog-whistle-politics-of-race/
https://www.huffpost.com/entry/donald-trump-racial-figle_b_9033224
https://www.washingtonpost.com/outlook/2020/08/21/racist-roots-dog-whistle/
Dog Whistles, Walk-Backs, and Washington Handshakes: Decoding the Jargon, Slang, and Bluster of American Political Speech ISBN 978-1611686036